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30. September 2022

Europäische Tag der Sprachen

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Es ist wieder so weit. Wie jedes Jahr findet am 26. September der Europäische Tag der Sprachen statt. Dieser Aktions-Tag hat das Ziel, zur Wertschätzung aller Sprachen und Kulturen beizutragen. Selbstverständlich darf auch die Österreichische Gebärdensprache hier nicht fehlen. Die Abkürzung für Österreichische Gebärdensprache lautet: ÖGS.

Wir leben im Jahr 2022 und es bedarf noch viel Aufklärungsarbeit und Brückenbauen, um den Menschen die Vorteile von Sprachkenntnissen abseits der Lautsprachen bewusst zu machen. Viele Menschen haben die Vorstellung, dass ÖGS ein Hilfsmittel ist, obwohl es zu den Minderheitssprachen gehört.

Als sehr wesentlich empfinde ich, dass zwei entscheidende Faktoren stets zu berücksichtigen sind. Der erste Faktor ist, dass Gehörlosigkeit in der Gesellschaft mehrheitlich als eine Behinderung eingestuft und gesehen wird. Und der zweite Faktor besteht darin, dass wir Gehörlosen uns als Sprachminderheit betrachten und nicht als behindert. Das kann man nicht als Widerspruch darstellen. Ich, als Gehörloser, habe in meiner Sprachgemeinschaft keinerlei Barrieren. Auf der anderen Seite ist die Behinderung ein soziologisches Konstrukt und eine soziale Realität. In vielen Fällen habe ich zur akustisch orientierten Sprachgemeinschaft keinen Zugang.

In einem anderen Universum

Stellen Sie sich folgendes plastisches Paradigma vor:

Auf unserem noch blauen Planeten ist die Menschheit zu 99 % gehörlos. Die Mehrheit hört mit den Augen. Sichtbeziehungen spielen die zentrale Rolle überall auf der Welt. In der Hauptstadt von Österreich, Wien, sind die Seitengassen mit breiten Gehwegen ausgestattet. Es gibt riesige Fensterfronten aus Glas, zum einen um zur Straße hinaus, aber auch um bis zum Ladentisch hinein zu sehen. Für die Passantinnen und Passanten entsteht ein vollkommener Durchblick. Ja, was die Räumlichkeiten betrifft, durchblicken statt abkapseln, lautet die Devise in der Welt der Gehörlosen.

Langsame und harmonische Lichtsignale beim Betreten des Geschäfts, jede Information an die Kundin und den Kunden erhält man ausschließlich in Österreichischer Gebärdensprache. Es gibt einen hohen Mangel an gehörlosem Verkaufspersonal, das exotische Fremdsprachen-Kenntnisse wie die Lautsprache, insbesondere Wienerische Lautsprache, beherrscht. Studien zeigen auf, dass vielen Hörenden das Auffassen und Wiedergeben der Österreichischen Gebärdensprache schwerfällt. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie bedingt durch die visuelle Augenschädigung keine Gebärdensprache über das Auge erfahren.

"Zwutschkerl, a ur leiwanda Schmäh! Geh‘ Oida, Kurvn krotzen ist des Programm! Da hüft a Reparaturseidl a nix mehr!“

In diesem Universum kann nur ein Promille der Gesamtbevölkerung hören. Aus dieser Sicht werden Hörende vom Staat als „visuell geschädigt“ bezeichnet. Sie sprechen vereinzelt die Sprache der Minderheit: Lautsprache. Aber aufgrund der Tatsache, dass Sie sich mit Ihren engsten hörenden Freund:innen und hörenden Familienmitgliedern lautsprachlich im Wiener Dialekt unterhalten oder sich sogar in einem sehr gepflegten und rhetorischen Hochdeutsch ausdrücken vermögen, teilt man Ihnen mit, dass Sie visuell behindert sind und Ihren Ausbildungsweg im Bereich der Sonderpädagogik vorfinden. Zeigen Sie etwas mehr Leistung, so steht Ihnen eine Bandbreite an Hilfsarbeiten in der Zukunft zur Auswahl.

Eine Studie von der gehörlosen Hauptuniversität Wien hat herausgefunden, dass hörende Frauen meist als Reinigungskraft ausgebildet werden. Insbesondere für Fenster -, Spiegel- und Glasflächen von Gebäuden sowohl innen als auch außen. Hörende Männer ergreifen meist zoologische Tätigkeiten wie das Dokumentieren eines Vogelgesanges. Die Superkraft bei Hörenden besteht meist darin, dass Sie einen festeren Gleichgewichtssinn besitzen und somit Arbeiten in der Höhe problemlos bewerkstelligen können. Hörende Künstlicher:innen verleiten durch – für mich – flinken Mundbildern der Sprache Kunst. Für manche sogar sehr kunstvoll.

Wienerisch ist zwar die schönste Sprache der Welt, aber für viele Westösterreicher z.B. einfach nur befremdlich.

Ich glaube, Sie merken schon, liest sich eigenartig, nicht wahr?

Im österreichischen Bundesverfassungsgesetzbuch ist die Österreichische Gebärdensprache seit 2005 als offizielle Sprache anerkannt und eingetragen. Darin heißt es: „Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“ Die Herausforderung die wir haben ist, dass sie zwar anerkannt und eingetragen ist, jedoch sind keine Gesetze vorhanden, die unser kulturelles Menschenrecht und ein Recht auf Bildung sichern, schützen und regeln. Die Devise heißt, nicht aufgeben, denn es geht um unsere gehörlose Welt, um unsere gehörlosen Kinder, die definitiv das absolute Menschenrecht besitzen sollten und jede erdenklich möglichen Maßnahmen erhalten sollen, in ihrer Erstsprache verstehen zu lernen, wie sich die Welt dreht!

Inclusion24 bietet Österreichische Gebärdensprachkurse, Sensibilisierungstrainings und Trainer:innen-Ausbildung mit inklusivem Mindset an. Hier wird nicht separiert, sondern die Teilnehmer:innen erleben durch Erfahrungsaustausch und Selbsterfahrung neue Perspektiven, die ein Zusammenleben einfacher, spannender und gewinnbringend machen.

Inklusion hat seine Grenzen, was wir jedoch als Grenze und Kultur definieren - ist verhandelbar.

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