11. März 2020
Psychische Erkrankungen sind meist nicht sichtbar. Viele Menschen stehen oft vor der schweren Entscheidung, ihre Krankheit offen zu legen. Selbstentstigmatisierung bedeutet aber nicht, dass Betroffene ihre Krankheiten sofort vor einem beispielsweise Arbeitgeber oder anderen Personen offen legen muss, sondern sich bewusst für oder gegen eine Offenlegung in verschiedenen Kontexten entscheiden kann.
“Da (Nicht-) Offenlegung eine wichtige Reaktion auf das Stigma der psychischen Erkrankung ist, können gelungene Offenlegungsentscheidungen zur besseren Stigmabewältigung beitragen sowie hoffentlich zum Abbau öffentlicher Stigmatisierung” (Rüsch, im Interview mit Soziale Psychiatrie 02/2019).
Denn Menschen mit psychischer Erkrankung leiden häufig zusätzlich an ihren Symptomen noch an den damit verbundenen Stigmas – also öffentlichen Vorurteilen, die zusätzlich das Selbstbewusstsein und die Selbstbestimmtheit der Betroffenen belastet. Selbststigmatisierung entsteht, wenn eine Person mit psychischen Erkrankungen die Vorurteile gegen sich und ihr Gruppe nicht nur kennt, sondern ihnen zustimmt und sie gegen sich verwendet.
Durch das von Prof. Rüsch präsentierte Programm, einer Adaption des Gruppenprogrammes mit dem Namen “Honest, Open, Proud” von Patrick W. Corrigan, soll Betroffenen in der Entscheidungsfindung der Offenlegung geholfen werden. Das Programm mit dem deutschen Namen “In Würde zu sich Stehen” war Thema des Vortrages von Prof. Rüsch und fand viel Anklang bei den zahlreichen BesucherInnen. Dies zeigt, wie wichtig und aktuell das Thema ist und wie viel hier noch zu tun ist: sei es von Seiten der Gesellschaft sowie der Institutionen, aber auch unter uns allen als stigmatisierenden und stigmatisierten Mitmenschen.
Dieser Vortrag, der das Tabu der psychischen Erkrankungen thematisiert war aber nur der erste Teil seines Aufenthaltes. Dem Vortrag folgt ein 2- tägiges Seminar von Prof. Rüsch zum Thema mit einer Gruppe Betroffener, die als MultiplikatorInnen in Österreich für dieses Programm fungieren wird. Diese Ausbildung wird in noch weiteren Seminarterminen fortgeführt. Ab Sommer soll es dann eine offene Gruppe zum Thema Selbstentstigmatisierung für Betroffene geben.
Vielen herzlichen Dank an das Forum Lichterkette für tatkräftige Unterstützung und vielen Dank auch an Prof. Nicolas Rüsch für seinen wichtigen Beitrag in Richtung Abbau von Stigma.
Prof. Nicolas Rüsch
Nicolas Rüsch ist Professor für Public Mental Health und Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg.
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