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Inklusionsklasse: Warum hier die wahren Held:innen sitzen

Eine Schultafel, auf die ein Kind mit Kreide "Inclusion" schreibt.

Eine Inklusionsklasse offenbart oft das ungenutzte Potenzial unserer Gesellschaft. Dort sitzen Kinder, die unsere Welt verändern könnten. Leider passiert das viel zu selten. Wir lassen diese Talente einfach liegen. Das muss sich dringend ändern, denn in Inklusionsklassen sitzen unsere wahren Held:innen!

Falscher Stolz, falsche Ehre, falsche Werte


In vielen „üblichen“ Klassen begegnet mir ein bestimmtes Muster. Ein Ehrbegriff, der nichts mit echtem Respekt zu tun hat. Eine Beleidigung oder ein böses Wort – und sofort eskaliert es. Gewalt ist nicht das letzte Mittel, sondern das erste. Die Kinder, die so reagieren, erzählen uns oft dieselbe Geschichte: „So läuft es in meiner Familie.“ „So ist mein Freundeskreis.“ „Wenn ich nicht so bin, bin ich ein Opfer.“ Gewalt als Währung. Und je älter sie werden, desto fester sind diese Muster in ihnen. Das deckt sich mit vielen Studien über Gewalt unter Jugendlichen. Forschungen zeigen, dass Gewaltbereitschaft stark mit dem sozialen Umfeld und erlernten Verhaltensweisen zusammenhängt.

Inklusionsklasse: Wo echter Respekt selbstverständlich ist


In der Inklusionsklasse sehen wir diese Art von Gewalt kaum. Konflikte gibt es – natürlich. Aber sie entstehen aus anderen Gründen. Nicht, weil jemand „seine:ihre Ehre verteidigen“ muss, sondern weil er:sie in einer überfordernden Situation keinen anderen Ausweg sieht. Ein Kind, das Lärm nicht aushält, das wiederholt und fast verzweifelt bittet, dass es leiser wird. Ein Kind, das alles gewaltlose versucht – und irgendwann explodiert. Unsere Gesellschaft würde sagen: „Du musst das aushalten.“ Aber warum eigentlich? Warum erwarten wir, dass das Kind sich an eine Welt anpasst, die nicht für es gemacht ist? Und dann gibt es noch eine andere, viel tiefere Wahrheit: Die Kinder in diesen Klassen haben ein natürliches Gespür für Gerechtigkeit. Sie fühlen Recht und Unrecht. Sie brauchen keine Paragraphen, um zu wissen, was richtig ist. Das zeigt sich auch in wissenschaftlichen Arbeiten zur inklusiven Pädagogik. Forschungen belegen, dass Kinder in inklusiven Klassen verstärkt soziale Fähigkeiten entwickeln.

Altersdurchmischung als Chance – ein System, das sich anpasst


Ein entscheidender Unterschied in der Inklusionsklasse ist die Altersdurchmischung. Während das klassische Schulsystem strikt nach Jahrgängen trennt, sitzen hier 13- bis 17-Jährige gemeinsam in einer Klasse. Und es funktioniert! Warum? Weil das System sich an die Kinder anpasst – und nicht umgekehrt. Jedes Kind wird dort unterrichtet, wo es das Wissen und die Förderung bekommt, die es tatsächlich braucht. Kein Kind wird überfordert, weil das Tempo zu schnell ist. Beim selben Kind bleiben keine wunderbaren Fähigkeiten liegen. Kein Kind bleibt zurück, weil es zu wenig Unterstützung bekommt. Lernen passiert in dem Rahmen, der individuell Sinn macht. Eine Studie zur Wirkung altersgemischter Klassen zeigt, dass Schüler:innen in solchen Gruppen bessere soziale Fähigkeiten entwickeln.

Die wahren Held:innen von morgen sitzen in Inklusionsklassen


Ich sehe in Inklusionsklassen unter anderem die Polizist:innen von morgen. Diejenigen, die keine Macht demonstrieren müssen, sondern ein echtes Gespür für Gerechtigkeit haben. Die nicht vorschnell urteilen, sondern die richtigen Fragen stellen. Die wissen, dass es immer mehr als eine Perspektive gibt. Ich sehe den jungen Burschen, der nach einem einzigen Workshop in der Lage ist, einen kompletten Verfahrensablauf zu durchdenken. Der versteht, wer welche Rechte hat. Ich sehe die junge Dame, die die perfekte Ermittlerin wäre – weil sie nicht nach Verdächtigen sucht, sondern nach der Wahrheit. Das Strafrecht steckt den äußersten Rahmen. Es wird überflüssig, wenn wir alle intuitiv wüssten, wie wir richtig handeln. Diese Kinder sind nicht die, die man aus dem System ausgliedern sollte. Sie sind diejenigen, die das System verbessern könnten.

Die Lehrer:innen, die das alles möglich machen


Diese Inklusionsklasse funktioniert nicht einfach nur zufällig. Sie funktioniert, weil es Pädagog:innen gibt, die mit unermüdlichem Einsatz ihren Beitrag leisten. Die nicht nur unterrichten, sondern ermöglichen. Diese Lehrer:innen kämpfen dafür, dass Kinder eine echte Chance bekommen. Es ist noch lange nicht selbstverständlich, dass Kinder aus diesen Klassen die gleichen Chancen bekommen wie andere. Und genau das ist das Problem.

Eine bessere Gesellschaft ist möglich – aber nur, wenn wir wirklich alle mitnehmen


Es kann nicht sein, dass ein talentierter junger Mann nicht Jus studieren kann, bloß weil er sich im Spektrum bewegt. Es kann nicht sein, dass eine großartige junge Frau nicht Polizistin werden kann, weil ihre Rechtschreibung nicht gut ist. Stellen wir uns die Welt vor mit einer ausgezeichneten Polizistin, welche eine Lese- und Rechtschreibschwäche hat. Und einem autistischen Verwaltungsassistenten, der nichts lieber macht als Diktate korrekt abzutippen. Unsere Gesellschaft funktioniert nur dann gut, wenn wir wirklich alle mitnehmen. Wenn wir aufhören, Menschen auszusortieren. Wir müssen nur endlich wollen und dann einfach danach handeln. So, als hätte uns nie jemand gesagt, dass es unmöglich ist.

Mag. iur. Margit Bös

Juristin & Trainerin bei Inclusion24

Quellen:

https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_10_20-Inklusive-Bildung.pdf

https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/240130

https://www.pedocs.de/volltexte/2024/31453/pdf/Wuntke_2024_Schulische_Foerderung.pdf

https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/jugendkriminalitaet/ZDF_Jugendgewalt_Mai_2025.pdf

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